Kirche St. Peter

Die reformierte Kirche am Fuss des Bützbergs an leichter Hanglage ist wohl das eindrücklichste Bauwerk in ganz Remigen. Dass es bis heute steht und in solch gutem Zustand ist, lässt sich in erster Linie auf das grosse Engagement vieler Remiger Bürgerinnen und Bürger zurückführen. Der Zahn der Zeit nagte besonders ab dem 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts an dem Gotteshaus aus dem 11. oder 12. Jahrhundert. Damals wurde die Kirche in romanischem Stil erbaut und erst im 15. Jahrhundert gegen Osten hin erweitert. Um 1460 wurde der Turm angebaut: ein Rechteckbau mit Satteldach. Die damals angefertigten Fresken an der Süd- und an der Westwand zerfielen im Lauf der Jahrhunderte und sind bis auf eine Szene aus der Petruslegende nicht mehr erhalten.

Erstmals erwähnt wird die Remiger Kirche 1347 als Filialkirche der Kirche Rein im Besitz des Klosters Murbach. Das eindrücklichste Merkmal der Kirche, ihre schmiedeeiserne Uhr mit einzelnem Zeiger, kam im Jahr 1535 dazu. Laurentius Liechti, Stammvater der Winterthurer Uhrmacherfamilie Liechti, erstellte für die Remiger Kirche eine astronomische Turmuhr. Von den mindestens 19 belegten Turmuhren aus der Hand Liechtis waren einige bis ins 20. Jahrhundert in Verwendung, darunter auch die Remiger Turmuhr. Die erste Neuerung erfuhr das in mühevoller Schmiedearbeit gefertigte Uhrwerk um das Jahr 1700, als vermehrt Pendel in Uhren zum Einsatz kamen. Auch in der Remiger Kirchenuhr wurde ein solches Pendel nachgerüstet, was die Uhr leichter und genauer regulierbar machte. Mit dem Beitritt des Kantons Aargau zur Eidgenossenschaft 1803 fiel die Remiger Filialkirche der Ortsbürgergemeinde Remigen zu. Die Kirche wurde nun weniger rege benutzt als zuvor, Gottesdienste fielen aus oder fanden nur in den Wintermonaten statt. 1850 wurden im Kirchenraum zwei Armenwohnungen eingerichtet. Mit dem Auftreten der Reblaus in Remigen zu Beginn des 20. Jahrhunderts fand eine weitere Zweckentfremdung statt. Der Kanton Aargau nutzte die Räumlichkeiten zwischen 1905 und 1927 als Rebbaumagazin. Die zur Reblausbekämpfung benötigten Mittel wie Schwefelkohlenstoff oder Petrol wurden in der Remiger Kirche eingelagert. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs wurden die Räumlichkeiten der Kirche sogar als Gefängnis verwendet. Zur gleichen Zeit machte sich der Zerfall der Bausubstanz allmählich bemerkbar.

Ab den 1930er-Jahren wurden vonseiten der Ortsbürgergemeinde erste Anstrengungen zur Renovierung und Erhaltung der Remiger Kirche unternommen. Diese scheiterten jedoch am mangelnden Interesse der Gemeinde und des Staates. Erst 1948 ging es mit den Renovationsplänen ernsthaft voran. Die Remiger Kirche wurde unter Denkmalschutz gestellt und der Kantonsarchäologe Reinhold Bosch bildete zusammen mit Ernst Stähelin, dem Pfarrer von Rein, ein Komitee zum Zweck, die Instandsetzung der Kirche voranzutreiben. Anlässlich eines Heimatabends in Remigen am 27. November 1948 äusserte sich Bosch zwischen musikalischen Einlagen zur Remiger Kirche und meinte, es «sei schade, wenn man der Kirche von Remigen, die ein altes Bauwerk sei, nicht die nötige Aufmerksamkeit schenke. Da die Kirche äusserst renovationsbedürftig sei und eine Instandstellung nicht mehr umgangen werden könne, müsse in nächster Zeit an eine durchgreifende Renovation herangetreten werden.» Der politische Wille zur Erhaltung der Remiger Kirche war also auf hoher Ebene zumindest teilweise gegeben. Trotzdem stand noch ein langer Weg bevor. Die grösste Hürde war die Finanzierung. Bereits Ende 1948 offerierte ein Feinmechaniker aus Birsfelden eine Revision und Instandstellung der Turmuhr für die Summe von 1120 Franken. Am 22. Januar 1949 tagte das «Komitee für die Erhaltung und Restaurierung des Kirchleins in Remigen» zum ersten Mal. Viele Remiger wurden eingeladen, um an diesem Projekt mitzuwirken. Das Interesse war gross, von 26 Eingeladenen erschienen 25. Ein siebenköpfiger Ausschuss übernahm die Führung des Komitees. Fortan ging es darum, Geld zu sammeln, um die teure Totalrenovation zu finanzieren. Da die Gemeinde kaum finanziellen Spielraum hatte, mussten die Kosten in erster Linie durch Spenden und Drittmittel gedeckt werden. Es gab Aufrufe an Remiger Bürgerinnen und Bürger, Basare wurden abgehalten und Behörden um Beiträge ersucht. In einem Schreiben vom 10. Mai 1949 wird der Notwendigkeit der Renovation Nachdruck gegeben: «In der Hauptsache ist es das Kirchenschiff, das in einem bedenklichen Zustand sich befindet. Aber auch im Turm sollte verschiedenes erneuert werden, wenn man nicht Gefahr laufen will, dass einmal ein ernstlicher Unfall entstehen könnte […].» Der Ortsbürgergemeinde fehlten schlichtweg die Mittel, umfassende Renovierungen an der Kirche zu finanzieren. Im neuen Jahrzehnt ging es nur schleppend voran: Im Sommer 1950 konnte das Komitee den Kantonsbaumeister für einen Augenschein gewinnen, im April 1951 wurde bei der Erziehungsdirektion des Kantons Aargau ein Gesuch eingereicht, man möge die Kosten für die Wandbildrestauration übernehmen. Am 9. Mai 1951 erreichte Remigen den Zuspruch von 750 Franken aus dem ordentlichen Kredit. Die Offerte des Restaurators vom März desselben Jahres belief sich auf knapp 3000 Franken.

Die Renovationswilligen liessen sich nicht entmutigen. Eine Reihe von privaten Spenden füllte die Kasse langsam, aber stetig, im Herbst 1952 waren 28 000 Franken zusammengekommen. Der provisorische Kostenvoranschlag schlug aber mit einer geschätzten Summe von 80 000 Franken zu Buche. Im Sommer 1953 ersuchte das Komitee den Regierungsrat des Kantons Aargau, der Kanton möge ein Drittel der Gesamtkosten beisteuern. Derselbe Brief gelangte an die Kirchengemeinde Rein. Der Kanton stellte die Bedingung auf, dass die Finanzierung und der Unterhalt der Kirche auch auf längere Dauer gesichert werden müssen, und forderte vom Komitee einen Finanzplan für die kommenden Jahrzehnte. Auch die Kirchengemeinde bekundete ihr Interesse an der Renovierung der Remiger Kirche. Immerhin könnten somit wieder mehr Menschen bewogen werden, einen Gottesdienst zu besuchen, so die Meinung der Kirchengemeinde Rein. Wenn kein Gottesdienst mehr im Dorf stattfinde, sei der sonntägliche Gang zur Kirche besonders für ältere Leute nicht mehr machbar.

Das Komitee beschloss, dass die Einwohnergemeinde das Gros der Unterhaltskosten zu tragen habe. Die Wartung der Uhr bleibe aber Aufgabe der Ortsbürgergemeinde. Nur mit diesem Zugeständnis konnte der Regierungsrat kreditwillig gestimmt werden. Im Mai 1955 waren 75 000 Franken zugesichert, doch inzwischen hatten sich die projektierten Kosten auf 90 000 Franken erhöht. Die Baukommission segnete im Mai 1957 das Renovationsprojekt ab.

Über die Jahre hinweg betonte die Kommission immer wieder, sie wolle sich bei der Renovation keinesfalls verschulden. An der Ortsbürgergemeindeversammlung vom 14. Juli 1957 kamen sieben Anträge zur Abstimmung, welche die langfristige Erhaltung der Remiger Kirche garantieren sollten. Besitzerin blieb die Ortsbürgergemeinde, ein Unterhaltsfonds wurde von der Ortsbürgergemeinde, freiwilligen Beiträgen und der Kirchengemeinde Rein gespeist. Eine separate Kirchenrechnung sollte über die Aktivitäten dieses Fonds Rechenschaft ablegen.

Artikel in regionalen Zeitungen lenkten die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das Renovationsprojekt in Remigen. In einem Artikel im «Brugger Tagblatt» vom 17. April 1956 wendete sich der Regierungsrat des Kantons Aargau an den Grossen Rat des Kantons, er möge einen Staatsbeitrag von 30 000 Franken zwecks Kirchenrenovation sprechen, denn «da an einem billigen Flickwerk niemand interessiert ist, wäre andernfalls mit dem definitiven Abgang der Kirche zu rechnen». Im Oktober desselben Jahres erreichte das Komitee die Nachricht, dass der gewünschte Betrag aus dem Lotteriefonds gewährt würde. Die nötigen 90 000 Franken waren also nach bald zehn Jahren seit der Gründung der Interessengruppe beisammen. Die Renovationsarbeiten konnten im Frühling 1958 in Angriff genommen werden. Die Kirche bekam eine elektrische Zuleitung auf Kosten des Elektrizitätswerks. Auch beim Material und bei der Arbeit konnten Kosten eingespart werden. Natursteinplatten aus dem Rauberhaus aus Brugg konnten unentgeltlich übernommen werden und für diverse Aushub-, Zuschütt- und Abtragungsarbeiten rund um die Baustelle konnten tatkräftige Remigerinnen und Remiger gewonnen werden. Die versprochenen Erlöse aus Kollekten fielen ebenfalls höher aus als erwartet. Offenbar liessen sich die Kirchengänger für ein Projekt mit regionalem Nutzen besonders begeistern.

Am 12. Oktober 1958 fand die Einweihung der frisch renovierten Remiger Kirche mit Ansprachen und einem Weiheakt statt. An der Einweihungsfeier wirkte der neu gegründete gemischte Chor mit.66 Die Schlussrechnung der Renovation der Kirche St. Peter in Remigen belief sich auf 105 382.35 Franken. Auf Initiative von Landwirt Erwin Vogt-Bracher, der sich ebenfalls am Renovationsprojekt beteiligt hatte, wurde Ende der 1950er-Jahre das Projekt «Remiger Dorfzeitung» in Leben gerufen. Nach seinen eigenen Worten läutete die frisch renovierte Kirche eine «Wiederbelebung des Dorfes» ein. 1960 wurde eine Orgel in der Remiger Kirche installiert.

1979 ging für die Remiger Peterskirche eine Ära zu Ende. Fast 450 Jahre lang hatte das Uhrwerk des Winterthurer Uhrmachers Laurentius Liechti seine Arbeit einwandfrei verrichtet. Nun waren aber Störungen im Geh- und Schlagwerk festgestellt worden, welche nicht mehr tragbar waren. Statt die originale Mechanik unter erheblichem Kostenaufwand zu reparieren, entschied sich die Ortsbürgergemeinde, eine neue, elektronische Uhr einzusetzen. Das alte Uhrwerk sollte aber an seinem Standort bleiben. Mit der neuen Uhr würden Bedienungskosten und -aufwand reduziert werden. Finanziert werden sollte die Renovation aus dem Unterhaltsfonds. Damit waren aber noch nicht alle Fragen geklärt, denn bei einer entscheidenden Frage waren die Remiger noch unentschlossen: der Anzahl Zeiger. Bisher hatte die Remiger Kirchenuhr immer nur einen Stundenzeiger gehabt. Gerüchte verbreiteten sich in der Presse, es werde erwogen, auch einen Minutenzeiger anzubringen. In der Septemberausgabe von 1979 der «Remiger Dorfzeitung» las man dann, dass sich der Gemeinderat entschieden habe, bei dem charakteristischen einen Zeiger zu bleiben. Der richtige Entscheid, so der Autor des Artikels.

Nachdem in den 1980er-Jahren das Kirchendach renoviert worden war und ein Blitzschlag Reparaturen am beschädigten Uhrwerk notwendig gemacht hatten, stellte sich Anfang der 1990er-Jahre die Frage, wie es um die Zukunft der Kirche stehe. Der neue Redaktor der «Dorfzeitung» stellte die Frage in den Raum, ob man denn die Kirche nicht auch anderweitig für kulturelle Anlässe nutzen könnte, da sie in den vergangenen Jahrzehnten nur sporadisch genutzt und obendrein nur die nötigsten Unterhaltsarbeiten durchgeführt worden waren. Die letzte Gesamtrenovation lag über 30 Jahre zurück und es standen wieder Unterhaltsarbeiten an. Wie viele andere Gemeinden machte auch Remigen zu Beginn der 1990er-Jahre eine finanziell schwierige Zeit durch und die Frage der Finanzierung einer Renovation liess sich nicht einfach klären. In den folgenden Jahren konnte aber über einen Kirchenfonds, gespeist von Privatpersonen und Unternehmen aus Remigen, erstes Geld für die anstehende Renovation gesammelt werden. Im Frühling 1994 waren Zuwendungen in der Höhe von knapp 25 000 Franken eingegangen. Die Finanzlage der Gemeinde erlaubte aber zu diesem Zeitpunkt noch keinen Renovationsstart. An der Novembergemeindeversammlung des Jahres 1997 genehmigte das Stimmvolk dann einen Kredit von brutto 450 000 Franken für die Renovation der Kirche. Nach 30 Jahren ohne Instandsetzungsarbeiten ging es vor allem darum, die Bausubstanz zu erhalten und eine Verwahrlosung, wie sie die Kirche in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebt hatte, zu verhindern. Der Kredit wurde einstimmig angenommen, was für die anhaltend grosse Bereitschaft der Remigerinnen und Remiger spricht, sich für ihre einzigartige Kirche einzusetzen.

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